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Handarbeit

DE

Handarbeit

Isabelle Schad, in Zusammenarbeit mit Nora Mertes, Josephine Findeisen, Claudia Tomasi & Frauen aus Bitterfeld-Wolfen

Was können unsere Hände über unser Leben, unsere Arbeit, unser Tun aussagen? Wobei haben sie mir geholfen? Was haben sie getragen? Wen haben sie gehalten? Können wir eine gemeinsame Landschaft aus Händen erschaffen?

Hände, die schieben, Hände, die ziehen. Hände, die greifen. Hände, die sich falten. Hände, die einander halten. Unsere Lebensgeschichte prägt unsere Körper. Persönliche und auch kollektive Erfahrungen sind in Haltung und Bewegungen eingeschrieben. Lassen sich diese Erfahrungen auch tänzerisch ausdrücken?

Die Choreografin Isabelle Schad untersucht in Zusammenarbeit mit der bildenden Künstlerin Nora Mertes und den Tänzerinnen Josephine Findeisen und Claudia Tomasi sowie Frauen aus Bitterfeld-Wolfen das tänzerische Spannungsverhältnis zwischen Selbst und Welt: Zentrale Frage hierbei ist der Begriff der Subjektivität innerhalb eines kollektiven bewegten Körpers, der nur als ein gesamter funktionieren kann: Wie können wir uns selbst als Teil eines größeren Ganzen wahrnehmen und was bedeutet das als choreografisch-bildnerische Praxis sowie als eine Haltung, die man einnimmt?

Ausgehend von Bewegungsprinzipien wie Gewichtsverlagerung, Dehnungs- und Atemtechniken entwickeln professionelle und Laientänzerinnen daraus zunächst kleine Skizzen, welche die eigene Wahrnehmung der Hände in den Mittelpunkt rücken und in Resonanz zur eigenen Geschichte etwas über Gesellschaft, Menschsein und Altern erzählen. Die Videokamera nimmt nicht Bild, sondern viel mehr Bewegung im persönlichen Kontext der Tänzerinnen und während der gemeinsamen Proben auf. Sie nimmt Teil, als wäre sie selbst eine agierende Hand.

Nach und nach entfaltet sich daraus eine Choreo- und Videographie im Spannungsfeld zwischen Innen und Außen, Intimität und Gemeinschaft, Hand und Arbeit, Greifen und Loslassen, Miniatur und Gesamtablauf. Die daraus entstehenden Skulpturen und Landschaften sind aus miteinander verwobenen Händen und Bildern gemacht, um in Formen der Verbundenheit dem Geschehen unserer Zeit entgegenzublicken.

EN

Handarbeit

Isabelle Schad, in collaboration with Nora Mertes, Josephine Findeisen, Claudia Tomasi & women from Bitterfeld-Wolfen

What can our hands tell us about our life, our work, our actions? What have they helped me with? What did they carry? Who have they held? Can we create a shared landscape of hands?

Hands that push, hands that pull. Hands that grasp. Hands that fold. Hands that hold each other. Our life story shapes our bodies. Personal and collective experiences are inscribed in our posture and movements. Can these experiences also be expressed through dance?

The choreographer Isabelle Schad and the dancers/choreographers Josephine Findeisen, Claudia Tomasi and the sculptor Nora Mertes, together with women from Bitterfeld-Wolfen, explore the tense relationship between self and world in dance: the central question here is the concept of subjectivity within a collective moving body that can only function as a whole: How can we perceive ourselves as part of a larger whole and what does this mean as a choreographic and visual practice as well as an attitude that one adopts?

Based on movement principles such as weight shifting, stretching and breathing techniques, professional and amateur dancers initially develop small sketches that focus on their own perception of the hands and, in resonance with their own story, tell something about society, being human and ageing. The video camera does not record images, but rather movement in the personal context of the dancers and during the joint rehearsals. It takes part as if it were an acting hand itself.

Gradually, a choreography and videography unfolds in the field of tension between inside and outside, intimacy and community, hand and labour, grasping and letting go, miniature and overall sequence. The resulting sculptures and landscapes are made from interwoven hands and images in order to face the events of our time in forms of connectedness.

Konzept, Choreografie und Realisation: Isabelle Schad
Konzept und Realisation Video und Raum: Nora Mertes
Konzeptuelle und choreografische Begleitung, Realisation: Josephine Findeisen und Claudia Tomasi
Performance Humboldt Forum: Johanna Ackva, Christine Baßin, Heike Faber, Dorothee Fischer, Rita Gehlhar, Veronika Heisig, Katrin Jarczewski, Christine Koschmieder, Katrin Stephan, Gudrun Trommer, Claudia Tomasi, Bärbel Verhooren, Sieglinde Walkow, Diana Wesser, Edda Westphal
Performance Bitterfeld-Wolfen: Christine Baßin, Heike Faber, Josephine Findeisen, Dorothee Fischer, Rita Gehlhar, Katrin Jarczewski, Christine Koschmieder, Katrin Stephan, Gudrun Trommer, Claudia Tomasi, Bärbel Verhooren, Sieglinde Walkow, Diana Wesser, Edda Westphal
Kamera: Alberto Stievanin
Lichtdesign: Max Krispin
Sound: Damir Simunovic, in Zusammenarbeit mit Ivan Bartsch, Nora Mertes und Isabelle Schad
Live Sound Mixing: Ivan Bartsch
Technische Leitung Humboldt Forum: Ivan Bartsch

Eine Produktion von Isabelle Schad koproduziert durch Festival OSTEN/Kulturpark e.V. und durch die Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss. In Zusammenarbeit mit Frauen helfen Frauen e.V. / Frauenzentrum Wolfen.

A production by Isabelle Schad co-produced by Festival OSTEN/Kulturpark e.V. and by the Humboldt Forum in the Berlin Palace Foundation. In collaboration with Frauen helfen Frauen e.V. / Frauenzentrum Wolfen.

Handarbeit auf Beine gestellt

Vom Tanzworkshop im Wolfener Frauenzentrum auf die große Bühne nach Berlin. Profis arbeiten mit Laien auf Augenhöhe. Projekt des „Festival Osten“ wurde ein Werk vieler Hände.

„Wer Worte macht, tut wenig: seid versichert. Die Hände brauchen wir und nicht die Zungen!“ Weiser William Shakespeare.

Ein Paar Generationen später ist „Handarbeit“ immer noch in. Mehr denn je. Sie wird sogar zur Kunst erhoben. Möglich machte es in diesem Jahr ein außergewöhnliches Projekt beim „Festival Osten“. Was als Tanzworkshop Frauenzentrum in Wolfen begann, endete mit einer Aufführung im Humboldt Forum in Berlin. Rauf auf die Bretter, die die Welt bedeuten! Rita Gehlhar hätte es wohl nie gedacht. Genau wie Christine Baßin und Dorothee Fischer. Sie sind drei von zwölf, die sich trauten, öffneten. Von der Kosmetikerin über die Verkäuferin bis hin zur Lehererin oder Landwirtin – sie alle ließen sich auf etwas Neues, Unbekanntes ein.

Offenheit und Vertrauten

„Jede von ihnen war bereit, aus der eigenen Komfortzone herauszutreten“, erzählt Sandy Bieneck vom Verein „Frauen helfen Frauen“. Die anfängliche Unsicherheit und Befangenheit wich starke Verbindungen und Empathien untereinander. „Diese Offenheit und das Vertrauen war nur durch die besondere Art von Isabelle Schad, der Choreografin, und den Tänzerinnen Josephine Findeissen und Claudia Tomasi möglich. Sie haben es geschafft, dass sich jede Einzelne als Individuum selbst, aber zeitgleich auch als Bestandteil des Ganzen in diesem Stück wiederfindet“, hebt Sandy Bieneck hervor. Teil vom Ganzen zu sein. „das hat mir so viel gegeben und das bleibt, die Erinnerung kann mir keiner mehr nehmen“, betont Rita Gehlhar. Es gab ganz viel Herzlichkeit und alles habe auf Augenhöhe stattgefunden. Erzählz Christine Baßin. Und so wurde „Handarbeit“ zum Werk vieler Hände.

Freundschaften entstehen

Was bleibt? „Es sind Freundschaften entstanden“, sagt Dorothee Fischer. Es gab aber auch ein Wiedersehen nach 44 Jahren, plaudert Rita Gehlhar. Und was noch? „ Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin. Sogar im Humboltd Forum wollten sie uns tanzen sehen“, berichten die Frauen.

Es habe sich alle mal gelohnt. „Nach den ersten Proben war ich platt“, erinnert sich Rita Gehlhar. Na und?  Hand aufs Herz: wenn der Tanz zur Leidenschaft wird. „Es war eine Reise voller Mut, Inspiration, Intensität, Freude, Emotionen und Dankbarkeit. Und das Schönste sei zum Schluss gesagt, diese Reise hat noch kein Ende. Es gibt noch zahlreiche Ideen der Fortführung, in vielfältiger Art und Weise. Und so gibt es neben einem weinenden Auge auch ein lachendes“, zieht Sandy Bieneck eine positive Bilanz. Sie und alle Beteiligten des Tanzprojekts hoffen jedenfalls, dass das „Festival Osten“ in der Region eine Fortsetzung erfährt.

10.07.2024, Mitteldeutsche Zeitung, von Sylvia Czajka

Graphic recording by Johanna Benz and Tiziana Beck








All photos: Dieter Hartwig, all rights reserved















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